Die Verantwortung abgeben, sich vollkommen auf ein Tier verlassen: Das machen wir Menschen eher selten. Aber genau darin liegt für Anna Weber der Reiz von Spürhundearbeit.
"Wir Menschen haben keine Idee, was der Hund dabei eigentlich macht", sagt die Hundetrainerin, die als Verhaltensberaterin begann und mittlerweile auf Spürhundetraining spezialisiert ist. Wir wissen nicht, was genau Hunde riechen. Wir sehen nur das Ergebnis: Dass sie einen Gegenstand am Geruch erkennen und wiederfinden.
Als Erstes eingesetzt wurden Spürhunde in der Polizeiarbeit, vor allem zum Aufspüren von Drogen. Aber es gibt weitere Bereiche, in denen die Tiere uns Menschen unterstützen. Unter die Spürhundearbeit – auf Englisch Scent Detection – fallen auch das Aufspüren von Bettwanzen oder Schimmel. Weiterhin kommen Spürhunde bei der Pilz- und Trüffelsuche zum Einsatz.
Im Gegensatz zu Rettungshunden oder Mantrailern suchen die Spürhunde nach einem bestimmten Zielgeruch. Beim ebenfalls aus der Polizei- und Rettungsarbeit bekannten Mantrailing hingegen nehmen sie eine Fährte auf und gelangen durch eine Spur zu einem vermissten oder verunglückten Menschen.
So helfen Spürhunde im Artenschutz
Anna Weber selbst ist mit ihren Lagotto-Hündinnen Mala und Uschi im Artenschutz tätig. Die beiden Spürhunde helfen dabei, bedrohte Tierarten zu finden. Sie kommen bei Forschungsprojekten zum Einsatz. Oder auch, wenn ein Bauvorhaben ansteht und geklärt werden muss, ob geschützte Arten auf dem Gelände leben. Mala und Uschi sind dafür ausgebildet, Feldhamster und Fledermäuse zu erkennen. Die Arbeit für den Artenschutz erfordert bestimmte Kenntnisse und Sondergenehmigungen, weil Anna Weber für das Training die Gerüche – zum Beispiel Feldhamster-Kot – bereitgestellt bekommen muss. "Als Privatperson ist das nicht möglich", erklärt die Trainerin.
Zur Freizeitbeschäftigung können aber fast alle Hunde und Menschen Spürhundearbeit machen.
Welche Hunde sind als Spürhunde geeignet?
"Auch junge Hunde können schon damit starten", sagt Anna Weber. Mit fünf, sechs Lebensmonaten sei eine gute Zeit, um in die Spürhundearbeit einzusteigen. Was viele Hundebesitzerinnen und Hundebesitzer unterschätzten: "Gerade wilde Junghunde sind im Spürhundetraining gut aufgehoben." Die Nasenarbeit sei eine optimale Auslastung für die Tiere, die im Alter von ein- bis anderthalb Jahren ihren Frauchen und Herrchen auch schon mal ziemlich auf den Keks gehen können. "Sie müssen auch vorher keine Hundeschule besucht haben", ergänzt Anna Weber. "Für das Spürhundetraining ist das vollkommen egal." Vor allem energiereiche Rassen wie Jagdhunde oder Hütehunde würden davon profitieren. "Schon zehn Minuten Nasenarbeit können einen Hund müde und zufrieden machen."
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Aber auch die meisten anderen Hunde können Spürhundearbeit machen, sogar körperlich beeinträchtige oder alte. "Da können wir das Tempo oder den Umkreis der Suche an das Tier anpassen", sagt Anna Weber. Nur bei kurznasigen Rassen sei sie zurückhaltend, weil die Nasenarbeit für sie sehr anstrengend sei. Eine grundsätzliche Voraussetzung müsse für das Spürhundetraining erfüllt sein: "Der Hund muss Lust auf Belohnungen haben, also entweder an Futter oder Spielzeug interessiert sein."
Wie herausfordernd ist Spürhundetraining für den Menschen?
Bei den Menschen sei die wichtigste Voraussetzung, dass sie Lust aufs Training haben. Gerade der Start in die Spürhundearbeit ist laut Anna Weber sehr intensiv: "Bei mir lernen die Tiere als erstes die Anzeige – stehen zu bleiben und den Fund anzuschauen." Das sei eine Herausforderung, weil dieses passive Anzeigen meistens nicht in der Natur des Hundes liege. Für die meisten Tiere wäre es natürlicher, den Fund anzupacken und wegzutragen. Nur für wenige Hunde sei das Anstarren der Beute normal.
"Aber wenn der Hund die passive Anzeige kann, wird es einfacher", sagt Anna Weber. Dann könne der Mensch die Rahmenbedingungen für das Training setzen: Wie groß ist der Zielgeruch? Wie weit entfernt ist das Versteck? Wie lange Wege muss der Hund zurücklegen?
So läuft der Einstieg in die Spürhundearbeit
Anna Weber arbeitet in ihren Trainings mit einem roten Kong als Zielgeruch – rot, weil Hunde diese Farbe nicht von anderen unterscheiden können, Menschen sie dafür aber besonders gut wahrnehmen. Je besser der Hund in der Nasenarbeit geübt ist, desto kleiner kann der Zielgeruch sein. Dazu können die Besitzer den Kong in Stücke schneiden. "Bei meinen Hunden arbeite ich mit Stücken, die ich mit der Pinzette anfassen muss", sagt Anna Weber. Absolute Champions in der Spürhundearbeit seien oft die Labradore, Malinois und verschiedene Spaniel. "Das liegt aber nicht daran, dass sie eine bessere Nase haben als andere Hunde", weiß Anna Weber. "Sie sind Arbeitshunde, auf Leistung gezüchtet und besonders motiviert." Auch auf viele Hütehunde, Australian Shepherds und Border Collies treffe das zu.
"Nasenarbeit ist eine sehr artgerechte Bedürfnisbefriedigung", sagt die Hundetrainerin. Im Alltag werde das Herumschnuppern und Jagen oft unterbunden. Bei der Spürhundearbeit können die Tiere dieses Bedürfnis ausleben – und mehr noch: ihr Talent zeigen. "Die Suche an sich ist deshalb für viele Tiere schon Belohnung genug." Für den Menschen sei das Training eine Gelegenheit, dem Hund die Verantwortung zu übertragen und ihn noch einmal neu kennenzulernen. Und: "Spürhundetraining kann man überall machen. Im Wald beim Spazieren gehen, aber auch drinnen an einem Regentag." Man kann es in den Alltag integrieren oder aber auch mit regelmäßigen Trainings als Sport betreiben.
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Chancen und Grenzen der Spürhundearbeit
Für den Artenschutz trainiert Anna Weber intensiv mit Mala und Uschi, ohne das Ergebnis hundertprozentig absehen zu können. Ein Beispiel: Wenn sie mit ihren Hündinnen übt, Feldhamster aufzuspüren, lässt sie sie nach Feldhamster-Kot suchen. Aber nach was genau suchen die Hündinnen? Nach einem dreijährigen Feldhamster-Männchen, von dem die Probe stammt? Oder nach Feldhamstern allgemein? Im Gegensatz zu Drogen hat jedes Tier einen individuellen Geruch. Um ihre Hündinnen auf eine große Bandbreite an Feldhamster-Gerüchen vorzubereiten, arbeitet Anna Weber mit Geruchsproben von verschiedenen Tieren. So besteht die Chance, dass sie einen gemeinsamen Nenner erkennen und nach Feldhamstern allgemein suchen. Anna Weber hat viel Erfahrung und kann einige Faktoren beeinflussen – letztendlich muss sie aber ihren Hunden vertrauen.
Spannend ist für die Trainerin auch die Frage, wo die Grenzen der Spürhundearbeit liegen: Kann ein Hund alles finden? Wie tief kann ein Geruch in der Erde vergaben sein? Und kann ein Hund den Geruch auch im Wasser wahrnehmen? Manchmal gibt sie ihren Kundinnen und Kunden die Aufgabe, ein unauffindbares Versteck für ihre Hunde zu finden. Ihre bisherige Erfahrung zeigt, dass das gar nicht so einfach ist, dass es im Wasser aber tatsächlich schwierig für die Tiere wird.
Voller Fokus auf das Talent der Hunde
Eine besondere Freude ist es für Anna Weber, wenn ihr Training erfolgreich ist und die Suche nach bedrohten Arten klappt: "Einer der schönsten Momente für mich als Hundetrainerin war, als Uschi einen echten Feldhamster anzeigte." Da wusste sie, dass die Ausbildung ihrer Hündin Früchte getragen hatte. "Das war ein cooler Moment."
Und genau für diese Glücksmomente hat Anna Weber den Wechsel von der Verhaltensberatung zum Spürhundetraining gemacht: "Viele Jahre habe ich mich mit den Problemen beschäftigt, den schweren Themen. Angst, Aggression. Nach einiger Zeit wollte ich mich mehr auf das Positive konzentrieren, obwohl ich immer noch gerne mit Problemhunden arbeite." So kam sie zur Nasenarbeit. Und fokussierte sich voll darauf.
Insgesamt sieht Anna Weber die Spürhundearbeit als Nische. "Aber es wird mehr", sagt sie. Auch Menschen mit klassischen Familienhunden kommen zu ihr ins Training. Die Trainerin selbst bildet sich ständig weiter und arbeitet daran, ihre Hündinnen zu zuverlässigen Artenspürhunden zu machen. Vor allem reizen sie neue "Echteinsätze", wie sie die Einsätze für Naturschutz und Forschung nennt. Vor allem aber geht es ihr darum, dass Mala und Uschi Spaß an der Arbeit haben.
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